Pro arte: Für
die 800-Jahrfeier der Hansestadt Rostock haben Sie, Herr Professor Wahren, eine Jubiläumskantate komponiert. Für eine Kantate, bedarf es ein wenig Fingerspitzengefühl, weil es ist ja eine
Komposition für Orchester, Chor und Solo-Stimmen. Sie haben vor wenigen Wochen die Komposition an uns übergeben, dennoch würden wir gerne von Ihnen wissen: Was haben Sie in diese Jubiläumskantate
orchestral hineingelegt?
Prof. Wahren Komponist (Lacher) Mein Lehrer, Prof. Blacher, pflegte bei solchen Fragen zu sagen: „Sie werden ja sehen was sie hören!“ So könnte ich es jetzt auch kurz machen, aber ich will
noch etwas zu ihrem Vorsatz sagen - cantare heißt ja singen - daher Kantate. Ursprünglich waren das reine Gesangsstücke. Heute macht man das mit Orchester. Es
gibt inzwischen sogar Kantaten für Orchester und Flöte, das hängt natürlich von den Auftraggeber ab und an dem Ziel das die Komposition verfolgt. In diesem Fall ist es ja ein Jubiläum,
ein sehr hohes Jubiläum und dementsprechend ist auch die Komposition von mir angelegt, mit einigen Jubel-Fanfaren. Das Orchester ist das übliche Sinfonieorchester, dreifach Blech, dreifach Holz, das
heißt: immer drei Klarinetten, drei Flöten, wobei eine Flöte eine Piccoloflöte ist und ganz genauso bei Oboe und Fagott, das sind die Holzbläser. Dazu kommt ein Streichersatz, der normalerweise
mit einem Chor besetzt ist. In diesem Falle auch z. B. zwanzig 1.-Geigen, sechzehn 2.-Geigen, 12 Celli entsprechend abgestuft die einzelnen instrumental Gruppen der Streicher. Natürlich auch
Schlagzeuger, sie sind ja seit dem Ende des 19 Jahrhunderts in deutschen Sinfonieorchester üblich und ursprünglich aus dem 17 Jahrhundert von den Türken übernommen worden. Also nach den Türkenkriegen
wurden von den Preußen die „Schlagzeug-Instrumente“, die man bei den türkischen Truppen erobert hatte, dann in die deutschen Orchester nach und nach integriert. Im 19. Jahrhundert entstanden
die ersten großen Sinfonie Kompositionen, die entsprechend auch viel Schlagzeug beinhalteten. Und das hat dann die bei uns übliche europäische Orchester Gruppeneinteilung Holz- und Blechbläser nebst
Streicher, um die Schlagzeuggruppe erweitert.
Und so ist es auch in der Jubiläumskantate. Ich habe vier Schlagzeuger dazugeben. Wenn
das Orchester Einwürfe mit dem Blech hat, werden diese dann von der Pauke oder der großen Trommel unterstützt, das setzt Akzente und macht die Musik farbiger. Ich habe probiert die verschiedenen
Klangfarben hier zu kombinieren. So z. B. auch am Anfang singt der Chor für den Hörer gut erkennbar einfach ganz banal „100, 200; 300 ….bis 800 Jahre, Hurra, es lebe Rostock“ herunter. So habe ich
ganz einfach auf das Publikum zugehende Hör-Ereignisse in die Komposition mit eingearbeitet.
Pro arte: Sie haben
sich ja auch sehr lange mit der Historie der Hansestadt Rostock auseinandergesetzt. Was ist denn aus den geschichtlichen Momenten oder Besonderheiten der Hansestadt Rostock sozusagen intuitiv,
kreativ in die Komposition mit eingeflossen?
Prof. Wahren, Komponist: Man denkt automatisch an die
Seeräuber, wenn man von der Hanse hört. Da wurde mir aber dann gleich ein Riegel vorgeschoben, dass es weniger Rostocks Angelegenheit war als Lübecks und das Rostock aus dieser Bedrohung besser
hervor gegangen ist. Wobei die Seeräuber an sich (die Likedeeler) zeitweilig die Hanse drohten lahm zu legen.
Die Hanse war ja eine viel größere und wichtigere Institution als wir heute noch so denken. Sie hat tatsächlich Wege
geöffnet, Seewege aber auch Landwege. Man bedenke, sogar Leipzig war eine Hansestadt, die europäische und bis rüber nach Asien, Handelswege öffnete, und dadurch Waren in die Welt brachte, die in den
anderen Teilen Europas und vor allem den Randgebieten bis dato unbekannt waren. Dadurch entstand auch eine veränderte Sichtweise auf unsere Welt. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen,
weil es für uns selbstverständlich geworden ist. Durch die Hansestädte zogen in gleichem Maße die Handels- und Informationsströme dieser Zeit. Sie hat tatsächlich diese Ströme zu einem neuen Wissen
zusammenfügt und gefördert. Also weit über ihre eigentlichen kaufmännischen Anliegen hinaus, denn mit dem Handel kommt automatisch auch ein Wandel daher. So ist die Welt damals geöffnet worden und
das ist mir auch erst klar geworden bei meiner Vorarbeit zur Komposition, und das habe ich dann auch versucht in die Kantate einzubringen. Nun ist das immer so eine Sache, als Komponist hat man
so seine Vorstellungen und denkt das Publikum versteht was gemeint ist. Es ist stets ein Wagnis einen Weg zu finden zwischen dem was man sich wünscht das verstanden werden soll, und zwischen dem was
tatsächlich verstanden wird. Aber die Hoffnung ist ja der Träger, der jeden Künstler beflügelt - so auch den Komponisten. Das hoffe ich auch für meine Jubiläums- Komposition für die Stadt
Rostock.
Pro arte: Wie viele
Male waren sie gedanklich und empfindungsgemäß mit der Hanse auf „hoher See“?
Prof. Wahren, Komponist: Ach, gedanklich ich bin oft zu
Schiff durch die Wellen geglitten. Ich weiß allerdings nicht ob sich das so übersetzen ließ. Ich habe natürlich keine musikalische Wellenbewegung wie man das vielleicht in „La Mer est plus belle“ von
Debussy erwartet. Inwieweit das Maritime in dieser Komposition rüberkommt, klärt auch schon der Text. Wir haben ja hier einen singenden Schauspieler, der die Texte spricht und auch singt. Diese Texte
sind sehr schön und vor allen Dingen mit einem Bezug zur Hanse und tragen das Maritime in sich.
Pro arte: Diese
Jubiläums-Kantate zu komponieren, hat Ihnen das Spaß bereitet?
Prof. Wahren, Komponist: Wissen Sie, mir macht
eigentlich jedee Komposition, die ich annehme, große Freude. Es muss mir nur etwas Gutes dazu einfallen. In diesem Fall war es eine belebende Sache, was ich vorhin schon sagte, die Geschichte der
Hanse, die mir anfangs nicht so vertraut und bekannt war. Durch die Vorarbeit, durch die historische Auseinandersetzung damit, ist mir das alles klar geworden. Und um Ihre Frage zu beantworten: Ja es
hat mir Spaß gemacht.
Pro arte: Welturaufführung der Jubiläumskantate wird am 21 Juni 2018 im Stadthafen der Hansestadt Rostock sein. Zu Gast werden Delegationen aus über 130 Hansestädte sein,
die extra zum internationalen Hansetag nach Rostock angereist sind. Ihre Jubiläumskantate bildet den konzertanten Auftakt dieser dreitägigen Feiern. Wie gefällt Ihnen das?
Prof. Wahren, Komponist: Also ich war mir dieser hohen Ehre bewusst. Ich hoffe, dass meine Mühe nicht vergebens sein wird. Ich hoffe, dass ich mich für diesen schönen großen Auftrag als würdig
erweise. Wir sehen uns am 21 Juni diesen Jahres im Stadthafen der Hansestadt Rostock. Ich freue mich darauf, zumal schon aus meinem großen Bekanntenkreis viele Leute zugesagt haben nach Rostock zu
fahren. Sie sind ebenso gespannt wie ich.
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